Zwischen den Zeilen lesen – wichtig für mein Glaubensleben?

Warum steht das jetzt so detailliert da? Diese Frage stelle ich mir so manches Mal beim Bibellesen. So beispielsweise, als ich im Johannesevangelium las:

Jesus lebt

1 Am Sonntagmorgen, dem ersten Tag der neuen Woche, ging Maria aus Magdala noch vor Sonnenaufgang zum Grab. Da sah sie, dass der Stein, mit dem das Grab verschlossen gewesen war, nicht mehr vor dem Eingang lag.

2 Sofort lief sie zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus sehr lieb hatte. Aufgeregt berichtete sie ihnen: »Sie haben den Herrn aus dem Grab geholt, und wir wissen nicht, wohin sie ihn gebracht haben!«

3 Da beeilten sich Petrus und der andere Jünger, um möglichst schnell zum Grab zu kommen. 4 Gemeinsam liefen sie los, aber der andere war schneller als Petrus und kam zuerst dort an. 5 Ohne hineinzugehen, schaute er in die Grabkammer und sah die Leinentücher dort liegen. 6 Dann kam auch Simon Petrus. Er ging in das Grab hinein und sah ebenfalls die Leinentücher                7 zusammen mit dem Tuch, das den Kopf von Jesus bedeckt hatte. Es lag nicht zwischen den Leinentüchern, sondern zusammengefaltet an der Seite. Johannes 20, 1-7

Uns wird hier vom leeren Grab des Herrn Jesus berichtet. Eine sehr anschauliche und wunderbare, sogleich außergewöhnliche, aber doch sehr bekannte Geschichte.  Allerdings, was ist denn nun so wichtig an den im Grab fein zusammen gelegten Leinentüchern, dass sie gleich mehrmals im Text erwähnt werden? Im ersten Moment dachte ich, was für ein ordnungsliebender Mann war Jesus. Ich stolperte über diesen Gedanken in einem Artikel einer christlichen Zeitung. Und nun merkte ich, dass mehr dahintersteckt, als nur ordentlich zu sein.

Johannes stammte aus einer priesterlichen Familie und so kannte er die Schrift aus der Tora sehr gut. Er verstand die Zusammenhänge, die besonders auch für die jüdischen Leser der damaligen Zeit bedeutend waren.

Dazu müssen wir an dieser Stelle einen großen Schlenker ins Alte Testament machen. Mitten in einem Erklärungsgespräch zwischen Gott und Mose finden wir einen weiteren wesentlichen Satz über die Leinengewänder.

Vorher wäscht er (der Hohepriester) sich und zieht die heiligen Priesterkleider an: das Gewand, die Hose, den Gürtel und den Turban, alles aus Leinen. 3 Mose 16, 4

Es war das jährliche Versöhnungsfest, es wurde in feierlicher und festlicher Stimmung gefeiert. Doch es bedeutete mehr als schön zu feiern, denn an diesem Tag wurde symbolisch alle Schuld des Volkes Israel durch einen Ziegenbock, der mit all der Sünde beladen in die Wüste geschickt wurde, vor Gott gebracht.

So lädt er die Sünden der Israeliten auf den Kopf des Ziegenbocks und lässt ihn durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, in die Wüste treiben.    3 Mose 16, 21

Und dann lese ich weiter und ich muss sagen, all die Jahre habe ich all diese Zeilen nicht spannend gefunden und schlicht überlesen.

Aaron geht nun wieder zum heiligen Zelt, zieht seine Leinengewänder aus, in denen er das Heiligtum betrat, und lässt sie dort zurück. 3. Mose 16, 23

Der Hohepriester Aron als Stellvertreter für das ganze Volk Israel legt die gesamte Schuld auf einen Ziegenbock und verbannt ihn in die Wüste. Zugegeben, für uns heute ist es abstrakt und befremdend, diese Darstellung des Versöhnungstages. Es ist wie auch heute noch, wir Menschen brauchen Anschauungsmaterial, um uns bewusst zu machen, wie lebensentscheidend es ist, mit Gott versöhnt zu sein. Nicht der Akt des Versöhnungstages bringt die Menschen zu Gott, nein, es ist eine persönliche Herzensangelegenheit.

Nachdem der Hohepriester alle Schlachtopfer in das Allesheiligste gebracht hatte, legt er die Leinengewänder und die Kopfbedeckung ab und lässt sie im Allerheiligen zurück.

Der weltrettende Versöhnungstag war, als Jesus Christus, Gottes Sohn, alle Schuld der Welt auf sich nahm und sie auch weg von uns trug, hin ans Kreuz von Golgatha. Er, Gottes Sohn, Hohepriester legte seine Herrlichkeit ab und legt sich in eine Futterkrippe ganz klein, um uns ganz nah zu sein. Er kam, um zu dienen, hält unsere Schuld am Kreuz aus und bezeugt dies mit den Worten „Es ist vollbracht“ – die Brücke zu Gott steht. Ich darf Vater sagen zu unserem Schöpfer. Was für ein Versöhnungswerk. Auch Jesus legt nach Vollendung des Opfers seine Leinengewänder sorgfältig ab und die Herrlichkeit kleidet ihn wieder. Und genau solche Sätze zeigen mir die Wahrheit der Bibel, sie zieht sich wie ein roter Faden hindurch: von der Schöpfung bis hin zur Offenbarung erfahren wir vom Rettungsplan unseres Vaters, Gott.

Das Gefühl von Verdammnis, die Angst, schuldbeladen vor Gott zu stehen oder dass der Tod das letzte Wort hat, genau das alles hängt am Kreuz. Alle unsere Schuld ist verbannt für immer, wir müssen sie nicht mehr mit uns herumtragen. Meine Schuld ist aufgelöst in Jesu Herrlichkeit. Das ist wahre Freiheit, die Freiheit Gottes. Und wenn uns doch wieder die Zweifel überkommen, Gefühle die uns Angst machen, dann möchte ich uns Mut machen: so wie Johannes hineinzusehen ins leere Grab und auf die Leinentücher zu schauen. Diese erinnern mich daran, dass der Hohepriester auch für mich sagt „Es ist vollbracht“.

Es grüßt euch ganz herzlich

Alexandra Leupold